Wenn wir die Grenzen bei der Kommunikation mit dem Pferd als unsere eigenen Grenzen erkennen, bürgt die Begegnung und die Arbeit mit dem Pferd ein enormes Potenzial für persönliche Entwicklung, sowohl für Pferdemenschen als auch diejenigen, die noch nie mit Pferden zu tun hatten. Unsere eigenen Grenzen zu erkennen heißt, die Bereitschaft mitzubringen an uns selbst zu arbeiten.
Ein paar Beispiele aus meiner Praxis mit jeweils unterschiedlichen Zielgruppen:
Eine Reiterin…
berichtet im Training, dass sie ihr Pferd nicht angaloppieren kann. Während des Gesprächs finden wir heraus, dass sie Angst hat, dass dieses in der Ecke ausrutschen könnte. Das Pferd spürt diese Angst, die Botschaft der Reiterin (Galopphilfe plus innere Bremse) wird inkongruent. Im besten Fall, wie hier, galoppiert das Pferd einfach nicht an, im schlechtesten Fall wehrt es sich buckelnd gegen die reiterliche Einwirkung. Hier arbeite ich kleinschrittig an der Blockade der Reiterin und helfe ihr die Freude und das Vertrauen in die Bewegung und Geschwindigkeit ihres Pferdes wieder zu gewinnen. Die Technik des Angaloppierens oder sogar die Arbeit am Pferd ist erst einmal zweitrangig und war in diesem Fall auch überflüssig.
Ein Pferd…
pullt im Gelände und hat häufig schon so stark gebuckelt, dass die Reiterin schwer gestürzt ist. Das Pferd fällt durch ein sehr reaktives Wesen auf, filtert also wenig die relevanten und nicht relevanten Umweltreize und gerät deshalb schnell unter Druck. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Reiterin inzwischen stark verunsichert ist und durch ein Rückenleiden körperlich eingeschränkt ist auf dem Pferd. Sie hat Angst vor Schmerz und hält ihr Pferd deshalb ständig am Gebiss, umso fester je mehr Umweltreize das Pferd verunsichern. Das Pferd holt aus diesem Verhalten für sich die Bestätigung, das die Situationen gefährlich sind. Sie hat offensichtlich auch Angst. Ich übernehme für ein paar Wochen den Teilberitt des Pferdes im Gelände und gebe der Reiterin für den Rest der Zeit Übungen mit auf den Weg, die ihr helfen Vertrauen in ihre Einwirkung zu erlangen und dem Pferd durch eine klare Struktur Ruhe vermitteln. Gleichzeitig startet sie unter meiner Anleitung mit der Desensibilisierung ihres Pferdes, damit dieses in Zukunft gelassener auf nicht relevante Reize reagieren lernt.
Eine Führungskraft, …
die viel Druck auf den „Mitarbeiter“ Pferd ausübt und kaum anerkennend agiert, löst mit diesem Verhalten beim meinem Co-Trainer Ausweichverhalten und Widerstand aus. Gute Mitarbeit wird unmöglich. Hier stellt sich die Herausforderung der Balance zwischen den klaren und berechtigten Forderungen der Führungskraft und gleichzeitig auch der Anerkennung der Leistungen des Mitarbeiters Pferd. Bei der Arbeit mit dem Pferd erhält die Führungskraft ein direktes Feedback zu seinem Verhalten und kann in einem geschützten Raum gemeinsam mit mir als Coach neue Handlungsoptionen erproben.
In einem Teamcoaching…
erfahren Kollegen durch Beobachtung und verschiedene praktische Übungen die Pferdeherde in ihrer sozialen Dynamik und die unterschiedlichen horsenalities (Pferdepersönlichkeiten) ihrer Mitglieder. Der „Stänkerer“, die „Schmuserin“ und der „Verlierer“ werden schnell identifiziert. In Einzelübungen wird es möglich die Pferde näher kennen und schätzen zu lernen oder auch die Erfahrung zu machen, dass einem eine Pferdepersönlichkeit im Umgang mehr liegt als eine andere. Gemeinsam mit dem Coach werden die Eindrücke gesammelt und durch theoretischen Input einem Refraiming unterzogen (in einen neuen Kontext gesetzt). Dabei wird erfahrungsgemäß ein überraschend neuer Blick auf die beteiligten Herdenmitglieder möglich und der Raum für die Arbeit am Team werden, sein und bleiben eröffnet.
Ein Kind, …
das im schulischen Alltag wenig erfolgreiche Momente (die schulische Leistung und auch seine Wirkung auf die Mitschüler) erlebt, macht in der freien Begegnung mit dem Pferd und der körpersprachlichen Kommunikation mit dem Pferd sehr wichtige Erfahrungen. Das freie Folgen des Pferdes ohne Führstrick und das Bewegen des Pferdes nur mittels der eigenen Präsenz hinterlässt ein Gefühl der „Selbstwirksamkeit“, das ein guter Begleiter für die Bewältigung aller zukünftigen Herausforderungen des Alltag ist.